Mein Platz vor Glück.

Bildquelle: Lisa C. Waldherr

Erste Liebe.

Wenn das mal keine intensive Zeit war. Komme mit dem Verarbeiten kaum hinterher und habe deswegen auch so lange mit einem neuen Artikel auf mich warten lassen. Wie schon im letzten Artikel angekündigt, habe ich letzte Woche eine kleine Deutschlandtour gemacht, in erster Linie, um die Jahrestagung der DGBS (Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen) in Heilbronn zu besuchen und diese angesichts der mehreren Hundert Kilometer, die ich dafür von Hamburg aus mit dem Auto zurücklegen musste, mit einem Besuch bei einer meiner ältesten Schulfreundinnen ganz weit im Süden und einem Kurz-Trip in meine alte Heimat und damals größte Liebe Heidelberg verbunden. Von dem Besuch in Heidelberg werde ich euch in einem der nächsten Blogartikel erzählen, denn da ist in nur zwei Tagen einfach viel zu viel passiert als dass es noch in diesen Artikel passen würde. Was für ein wunderschönes Fleckchen Erde. Immer und immer wieder.

Mission (eher) mittelmäßig.

Ich bin also Montags in Hamburg losgefahren, habe die ersten 400km hinter mich gebracht, nachdem ich mich etwas über mich selbst geärgert hatte, weil ich eigentlich ganz entspannt vormittags oder mittags hätte losfahren können. Das hätte allerdings vorausgesetzt, dass ich anstatt bis 11 Uhr auszupennen vielleicht lieber mal mit Packen angefangen hätte. Hab ich aber nicht. Stattdessen bin ich um 16 Uhr losgefahren und musste erst mal noch ein Rezept für meine Medikamente im UKE abholen, weil ich, wie fast jedes Mal, verpeilt hatte, das rechtzeitig zu organisieren und es dann angesichts der einsamen letzten Pille in der Blisterpackung auf den letzten Drücker machen musste. Natürlich kann man da nirgendwo parken, außer für einen exorbitant hohen Tarif im Parkhaus, weswegen ich mich daraufhin ins absolute Parkverbot stellte und einmal kurz ins Gebäude rannte. Herrlich entspannt alles. Rezept ist ja schon mal schön und gut, allerdings braucht man im Idealfall auch noch eine Apotheke, um die Mission erfolgreich zu beenden. Die nächstgelegene Apotheke, die mir Google Maps ausspuckte, befand sich inmitten einer von Hamburgs Milliarden Baustellen, gesäumt von Löchern in der Straße und Bauzäunen. Da ich mittlerweile schon latent genervt war, zeigten sich meine Seitlich-Rückwärts-Einpark-Skills von ihrer allerbesten Seite, keine Ironie, und die Karre schwang sich smooth in die Lücke zwischen Kratern und Fahrradstangen, die alles, nur keine Parklücke war. Mir doch egal. Endlich die scheiß Medis beim unfreundlichsten Apotheker aller Zeiten geholt und mir angesichts all der Strapazen, bevor der Trip überhaupt losgegangen war, ne Packung Frust-Gummibärchen (ich HASSE Gummibärchen!) geholt, die nach dem Öffnen der Packung schon allein durch den Geruch, der daraufhin durch das Auto strömte, an Widerlichkeit nicht zu übertreffen waren. Passte aber ganz gut in den Fiasko-Flow. Danach stürzte ich mich voll positiver Energie ins Vergnügen des Hamburger Feierabendsverkehrpeaks und brauchte, nur um auf die A 7 zu kommen, fast eine Stunde.

Schlaflos in Kassel.

So weit, so scheiße. Aber wenn ich nicht gerade im Feierabendverkehr oder sonstigen Staus feststecke, liebe ich Autofahren und hatte den ganzen Stress auch direkt wieder vergessen, als ich dann auf dem Weg Richtung Süden war. Fenster auf, Musik an, geil. Relativ spät kam ich dann an meinem Zwischenstopp Kassel an, wo ich bei dem Vater einer Freundin schlafen konnte. Da ich in der Nacht trotz der ultra bequemen Matratze leider fast kein Auge zugemacht hatte, das ist oft so, wenn ich weiß, dass ich morgens früh aufstehen muss (ist bei mir mit meinem Job auch eher die Ausnahme), wurde das mit dem anvisierten Start um 7 Uhr (haha) dann doch nicht so wirklich was und letzten Endes kam ich dann mit einer adäquaten Menge Koffein in meiner Blutbahn kurz vor 12 los und freute mich auf die weiteren 400km Autofahrt, die vor mir lagen, auch keine Ironie, bevor ich meine Freundin, die ich zum letzten Mal kurz vor der Geburt ihres Sohnes gesehen hatte, der nun auch schon eineinhalb Jahre alt war, in die Arme schließen konnte.

It’s magic! Nicht!?

Ich bin mittlerweile 31. Seit ungefähr zwei Jahren geht’s ab im Umfeld. Zumindest einem Teil des Umfelds. Einige haben entweder schon ein oder mehrere Kinder, sind gerade schwanger oder werden es zeitnah sein, sind verheiratet oder verlobt, bauen oder kaufen Häuser. Spätestens wenn die beste Freundin schwanger ist und bald die Stadt, in der man so viele gemeinsame Jahre so viel erlebt, so viele wunderschöne Momente geteilt und unvergessliche Erinnerungen geschaffen hat, verlässt, wird einem irgendwie bewusst, … na was wird einem da eigentlich bewusst? Ich muss zugeben, es macht etwas mit mir. Aber erst seit einiger Zeit. Ich dachte immer, was ein Quatsch, die 30 ist schließlich nur eine Zahl, was sollte die mit mir machen? Hab irgendwie nie verstanden, von was die anderen redeten, wenn sie über die „magische Grenze“ sprachen. Da steh ich drüber! Ich steh da nicht drüber. Wovon ich mich mit der Zeit lösen konnte, war der Druck, für den ich zuerst das Außen, unsere Gesellschaft, verantwortlich machte, während in Wahrheit auch ich selbst die Erzeugerin dieser augenscheinlichen Erwartung war, was Mann oder Frau mit 30 schon erreichen, machen, besitzen oder zumindest in Aussicht haben sollte. Geleistet haben sollte. Planen sollte. Auf diese Welt gebracht haben sollte?

Wenn ich groß bin…

30 ist nicht 20. Für was es mit 20 noch alle Begründungen und Ausreden der Welt gibt, uns noch alle Türen offen stehen, das ganze Leben noch vor uns liegt, wir noch gefühlt unendlich Zeit haben, unseren Weg und unseren Platz in dieser Welt zu finden. Pläne zu schmieden, sie umzusetzen, bedingungslos und groß zu träumen. Und uns dabei in der beruhigenden Sicherheit wiegen dürfen, dass wir noch so unfassbar viel Zeit haben. Mit 30 sind wir an einem anderen Punkt im Leben. Im Idealfall haben wir noch immer sehr viel Zeit für vieles. Von diesem Druck, der meiner Meinung nach sowohl vom Innen als auch vom Außen ausgeht, konnte ich mich nach vielen Jahren tatsächlich größtenteils lösen. Nicht komplett. Noch nicht. Absolut bewundernswert, wer das kann. Königsdisziplin. Ich bin mir sicher, dass man das schaffen kann. Ich bin mir auch sicher, dass ich das schaffen kann. Ich bin mir nur nicht sicher, ob man das schaffen muss.

Alles hat seinen Preis.

Ich war schon immer ein sehr positiver und zuversichtlicher, zufriedener und genügsamer Mensch. Positiv und Zuversichtlich fiel in schweren depressiven Phasen größtenteils weg, klar. Abgesehen davon versuche ich schon immer, auch das Gute zu sehen, egal wie scheiße es vielleicht mal ist. Seit der Diagnose 2017 und durch die allumfassende Art und Weise, in der ich mein Leben in vielen Facetten und Bereichen, einmal komplett umgekrempelt habe, habe ich, vor allem durch die schwersten Zeiten, so viel mehr Stärke, Selbstwirksamkeit und Unabhängigkeit für mich gewinnen können. Ein Gefühl grenzenloser Freiheit. Einer tiefen inneren Ruhe. Die mit jeder überstandenen Phase stetig wächst. Doch was mir am allermeisten auffällt und gefällt ist die über die Jahre seit der Diagnose entstandene Zufriedenheit. Mag für Außenstehende vielleicht seltsam oder unlogisch klingen. Ich meine die Zufriedenheit und Dankbarkeit für das Leben, das ich mir geschaffen habe. Das Leben, das ohne die Erkrankung nicht das wäre, was es heute ist. Ich würde mit niemandem tauschen wollen. Freue mich von ganzem Herzen über jede Heirat (vor allem, wenn sie so wunderschön und traumhaft ist wie die meiner Freundin, in Italien, bei der ich vor kurzem als Trauzeugin dabei sein durfte), jedes gekaufte oder gebaute Haus, jede Karriere. Selbst haben möchte ich nichts davon. Ich freue mich genau so über jede verkündete Schwangerschaft und jede*n neue*n Erdenbürger*in, in deren winzigen Gesichtchen ich meine Freundinnen wiedererkenne. Doch im Gegensatz zu der Freude bei all den anderen Lebensereignissen wird die Freude bei dieser Thematik begleitet von einem anderen Gefühl. Einem diffusen Gefühl. Einem unangenehmen.

Oh du kuschlige Komfortzone…

Ich habe lange versucht, herauszufinden, ob ich dieses Gefühl benennen kann. Insgeheim gehofft, dass es keine Eifersucht oder, igitt, Neid ist. Man sagt ja, alle Gefühle haben ihre Berechtigung. Aber Neid und Eifersucht sind hässliche Gefühle, die ich, außer vielleicht in der ein oder anderen Teenie-Beziehung, nicht wirklich kenne. Selbst wenn ich etwas, was ich selbst (noch) nicht habe, vielleicht auch erstrebenswert finde oder auch wenn es mir selbst nicht gut geht und gefühlt gerade so gar nichts laufen will, kann ich mich trotzdem immer mitfreuen. Ich konnte dem Gefühl, das ich mittlerweile habe, wenn mir wieder eine enge Freundin von ihrer Schwangerschaft erzählt, keinen Namen geben. Aber ich habe festgestellt, dass da eine Angst mit reinspielt. Angst davor, wie sich die Freundschaft dadurch verändern wird. Vor allem, wenn dieser spannende neue Lebensabschnitt mit einem Ortswechsel verbunden ist. Und, da brauch man sich nichts vormachen, das Leben und die Freundschaft verändern sich, wenn Freundinnen Mütter oder Freunde Väter werden. Egal ob es da gerade um dich selbst oder die anderen geht. Mich stört meine subtile innere Ablehnung und der Widerstand, den ich gegen diese bevorstehenden Veränderungen empfinde und dem ich mich relativ machtlos ausgeliefert fühle. Diese Entwicklung ist etwas völlig Natürliches, Teil der kontinuierlichen Veränderung und der Bewegung eines jeden Lebens. Sie sollte, auch in mir als guter Freundin, meiner Meinung nach Grund zu bedingungsloser Freude sein. Ich schäme mich für meine Erkenntnis, dass diese Freude getrübt wird durch die sie begleitenden Sorgen. Nachdem ich mit Menschen in meinem Umfeld über dieses Gefühl gesprochen habe, wird es durch die Begegnung mit Verständnis und teilweise die extakt gleichen Ängste und Sorgen auf der anderen Seite abgelöst durch Erleichterung. Es scheint wohl einfach dazu zu gehören. Für viele. Sicher nicht für alle. Puh.

Scary Thirty.

Was nicht weg geht, ist eine andere Angst. Ich wollte es erst nicht wahrhaben, weil ich drüber stehen wollte. Dachte, das macht nichts mit mir. Aber das tut es. Ich habe Angst davor, dass es bei mir nicht auch irgendwann klappen wird. Ich wollte schon immer Kinder. Diese Angst ist newest release. Kam als ähnlich unerwünschtes Geschenk zum 30. Geburtstag wie Socken. Ich glaube nicht, dass ich mir da ’ne Platte machen würde, wenn ich ein Typ wäre. Und auch nicht, wenn es jetzt nicht damit losgehen würde im näheren und weiter entfernten Umfeld. Ich weiß aber, dass diese Angst nicht in der gleichen Form da wäre ohne meine Erkrankung. Bipolarität, Kinderwunsch und Schwangerschaft sind ein Thema für sich. Mit „dass es bei mir nicht irgendwann klappen wird“ meine ich nicht die Ermangelung eines Partners oder die Sorge, unfruchtbar zu sein. In erster Linie ist es eine Angst, die mit der Bipolarität verknüpft ist. Auf der Tagung der DGBS, über die ich ja heute eigentlich schreiben wollte, meine Worte aber, wie so oft, ihren eigenen Kopf durchgesetzt haben, war ich bei einem Vortrag zum Thema Bipolarität und Schwangerschaft/Kindheit, weil ich das Thema, nicht zuletzt wissenschaftlich, super interessant finde. Vermutlich hat dieser Vortrag in Kombination mit dem Besuch bei meiner Freundin plus Kind und den in jüngster Vergangenheit angekündigten Schwangerschaften oder Geburten von Kindern enger Freundinnen all diese Überlegungen und eine Verstärkung der sonst eher unterschwellig vor sich hin wabernden Angst ausgelöst. Und, auch wenn das Thema Nachwuchs in meinem Leben gerade nicht aktuell ist, ist diese Sorge meiner Meinung nach trotzdem berechtigt. Es ist keine Sorge oder Angst, die mich regelmäßig oder schwerwiegend belastet, aber die Thematik taucht immer wieder auf. Und dann beschäftigt sie mich. Nicht umsonst ist das Thema dieses Artikels heute ungeplant und unbewusst in diese Richtung abgedriftet. Na gut. Go with the flow.

Schwangerschaft und Medikamente.

Da sind so viele Fragen. Es fängt bei so offensichtlichen Dingen an wie die Kombination von Schwangerschaft und Medikamenteneinnahme. Oft eine Kosten-Nutzen-Abwägung und immer eine individuelle Entscheidung. Bei besonders schweren bipolaren Verläufen ist das Risiko, die Medikamente während der Schwangerschaft abzusetzen, besonders groß. Zu groß ist die Gefahr einer oder mehrerer Krankheitsepisoden während oder nach der Schwangerschaft. Ist die Sicherheit der Mutter nicht mehr gesichert, so ist es auch die Versorgung des neugeborenen Kindes nicht. Eine depressive, hypomane oder manische Mutter wird sich kaum oder überhaupt nicht in der Art und Weise um ihr Kind kümmern können, wie sie es nötig ist. Eine meiner größten Sorgen ist, dass ich mich, wenn ich beispielsweise nach der Geburt in eine depressive Phase rutschen würde oder auch „einfach“ generell eine Krankheitsepisode hätte, nicht mehr um mein Kind kümmern könnte. Klar gibt es im Idealfall einen Partner oder eine Partnerin, der/die solche Phasen dann eventuell abfangen kann, aber was ist, wenn nicht? Was ist, wenn ich durch den Schlafmangel, von dem alle frisch gebackenen Eltern berichten und der sowohl Auslöser als auch Symptom von hypomanen oder manischen Phasen sein kann, in genau so eine rutsche?

Die etwas andere Muttermilch.

Von bestimmten Medikamenten wird während der Schwangerschaft eindeutig abgeraten, weil sie dem werdenden Kind schaden können. Viele gehen in die Muttermilch über, was auch die Frage stellt, ob man sein Kind stillen können wird oder nicht. Eine ungeplante Schwangerschaft geht mit anderen Folgen einher als bei einem psychisch gesunden Menschen, ebenfalls wegen der Medikamenteneinnahme. Theoretisch kann es durch die Einnahme von Medikamenten in der Frühschwangerschaft zu Fehlbildungen beim Embryo kommen. Keines der Medikamente zur Behandlung von bipolaren Störungen ist bisher offiziell zur Behandlung von betroffenen Frauen in der Schwangerschaft zugelassen. Um die Entstehung von Fehlbildungen beim Fötus gänzlich auszuschließen ist die Datenlage aus Studien jeglicher Psychopharmaka noch nicht ausreichend (Quelle: DGBS).

5 bis 7.

Ein weiterer Punkt ist das bei Frauen mit psychischer Vorbelastung oder Erkrankung erhöhte Risiko für Wochenbettdepression oder -psychosen, von denen auch psychisch völlig gesunde Mütter betroffen sein können. Und über all diesen Punkten steht für mich und viele andere Betroffene die Frage, ob ich meine Erkrankung an mein Kind weitergeben werde. Auch wenn die bipolare Störung keine Erbkrankheit im klassischen Sinne darstellt, so konnte unter anderem durch Zwillingsstudien eine erbliche Komponente nachgewiesen worden. Ist beispielsweise ein eineiiger Zwilling betroffen, so entwickelt der/die andere zu 85% auch eine bipolare Störung. Kinder psychisch (nicht allein bipolar, auch andere psychische Erkrankungen) erkrankter Eltern haben ein 2-mal höheres Risiko für unipolar depressive Erkrankungen, ein 5 bis 7-mal höheres Risiko für bipolare Störungen, ein 7-mal höheres Risiko für ADHS. Außerdem ein allgemein erhöhtes Risiko, andere psychische Erkrankungen zu entwickeln (Quelle: Workshop V auf der DGBS Jahrestagung 2021, Thema Kindheit und Bipolare Störung, Yvonne Zeisig/Dirk Epplen/Sabrina Lux, Vivantes Berlin).

Epigenetik und Bipolarität.

Bei all diesen Daten, Fakten und manchmal eventuell ernüchternden Zahlen sollte allerdings die Tatsache, dass auch Kinder von psychisch gesunden Menschen Risiken haben, nicht vernachlässigt werden. Und das manchmal nicht in geringerem Maße. Zum Beispiel haben Kinder älterer Väter (über 45) ein 25-mal höheres Risiko an bipolarer Störung zu erkranken (also deutlich höher als das 5-7-mal höhere Risiko bei Kindern von Eltern mit psychischen Erkrankungen), ein 13-mal höheres Risiko an ADHS (im Vergleich zu 7 mal höher) und ein 3,5-mal höheres Risiko für Autismus. Was durchaus Mut macht ist die Tatsache, dass sich die Mehrheit der Kinder von psychisch kranken Eltern trotzdem psychisch gesund entwickeln: Von den Kindern bipolar Erfahrener entwickeln ca. 90 Prozent keine bipolare Störung. Im Bereich der Epigenetik nimmt das Entstehungsmodell von speziell bipolaren Erkrankungen eine Interaktion von Umweltfaktoren und Erbanlagen an. Die Rolle der Genetik zeigt sich hier in einer so genannten „Erbe-Umwelt-Interaktion“. Das bedeutet, dass es bei der Entstehung von bipolaren Störungen keinen konstanten genetischen Einfluss auf die psychische Entwicklung betroffener Kinder gibt. Es besteht vielmehr eine genetische Vulnerabilität (Anfälligkeit/Veranlagung für eine Krankheit), die erst im Zusammenspiel mit ungünstigen Umweltfaktoren zum Ausbruch psychischer Störungen führt („Vulnerabilitäts-Stress-Modell“). Die Vulnerabilität setzt sich aus psychologischen und biologischen Faktoren zusammen (Quelle: Workshop V auf der DGBS Jahrestagung 2021, Thema Kindheit und Bipolare Störung, Yvonne Zeisig/Dirk Epplen/Sabrina Lux, Vivantes Berlin).

Ungünstige Umweltfaktoren hierbei können zum Beispiel chemische Einwirkungen wie Alkohol, Nikotin, Drogen, Medikamente, etc. oder auch negative Verhaltensweisen von Bezugspersonen in Kindheit und/oder Jugend, wie Traumatisierung (dazu können auch „schon“ belastende Lebensereignisse wie z.B. Mobbing oder der Verlust einer*s nahen Angehörigen gehören), Misshandlung, Vernachlässigung, etc. oder auch chronischer und/oder extremer Stress sein. Auch das soll hier nur ein Ausschnitt aus all den Bereichen und Faktoren bleiben, die eine Rolle spielen können. Zu den besonders sensiblen Phasen im Leben gehören unter anderem frühe Kindheit, Pubertät und eben auch die Schwangerschaft einer Frau (Quelle: Workshop V auf der DGBS Jahrestagung 2021, Thema Kindheit und Bipolare Störung, Yvonne Zeisig/Dirk Epplen/Sabrina Lux, Vivantes Berlin).

Früh übt sich.

Ein Thema, über das sich von bipolaren Störungen betroffene Frauen Gedanken machen dürfen. Egal, ob dieses Thema gerade schon „relavant“ oder „akut“ ist oder nicht. Angesichts der vielen Besonderheiten, von der eine Schwangerschaft für uns betroffene Frauen begleitet werden kann, ist es meiner Meinung nach weder unnormal, unverhältnismäßig oder übertrieben, diesbezüglich Ängste oder Sorgen zu haben. Ich finde es mehr als verständlich. Ja, sogar angebracht. Und wichtig. Das Ganze sollte nicht in eine extreme Angst oder übergroße Sorge ausarten, aber welche bipolare Frau um ihren Kinderwunsch weiß und sich bereits frühzeitig ihre Gedanken dazu macht, vielleicht auch mit Therapeut*innen oder Ärzt*innen medizinische Fragen klärt, die ungeklärt sind und Angst machen, die kann mit diesen Bedenken oder Sorgen dann vielleicht besser umgehen. Kann sich durch die Kommunikation mit Partner*in, wenn vorhanden, und auch Familie und Freund*innen oder anderen betroffenen Frauen, zum Beispiel in einer Selbsthilfegruppe, und Aufklärung durch Expert*innen Beruhigung finden. Und zu der Erkenntnis gelangen, dass eine bipolare Störung keineswegs ein Grund ist, keine Kinder in diese Welt zu setzen. Da gibt es ganz sicher sehr viele andere, sehr viel überzeugendere Gründe.

30 ist nicht 20.

Und das ist auch gut so. Meine Zwanziger waren eine magische, wunderschöne, aufregende und unvergessliche Zeit. Aber sie waren auch geprägt von den Unsicherheiten und Turbulenzen des Erwachsenwerdens, Exzess, Leben am Limit und zwischen absoluten Extremen, dem strahlendsten Bunt und dem dunkelsten Schwarz, berauschenden Höhenflügen und ernüchternden (teilweise im wahrsten Sinne) Abstürzen. Es waren Jahre des Suchens, des sich Verlierens. Des Hüpfens, des Stolperns, des Hinfallens, des wieder Aufstehens. Und letzten Endes vor allem des Findens. Meines Platzes in dieser Welt.

Vielleicht wird dieser Platz irgendwann mit einer neuen kleinen Welt geteilt.

Und dann will ich keine Angst haben müssen.

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