Off-Mode.

Bildquelle: Lisa C. Waldherr

Am liebsten würde ich laut schreien. Doch ich bin wie gelähmt. Seit fünf Stunden sitze ich in meinem Zimmer am Laptop vor dem Uni-Seminar, auf das ich mich so gefreut hatte. Sehen tue ich nichts, da alle ihre Kameras ausschalten mussten, weil sonst die Audioübertragung nicht funktioniert. Weniger Gemeinschaftsgefühl geht nicht.

Gestern bin ich um halb 8 abends eingeschlafen, weil ich so erschöpft war. Einschlafen kann ich seit Monaten nicht mehr, weswegen ich meine Ärztin für den Übergang um etwas, das mir dabei helfen soll, gebeten habe. Das funktioniert ganz gut. Von anderen weiß ich, dass sie sich zuballern, indem sie abends oder mittlerweile auch mal mittags ihre Flasche Wein trinken oder sich anderweitig betäuben. Keine Option für mich.

Trotz meiner bipolaren Störung und all der Herausforderungen, vor die sie mich seit über 10 Jahren immer wieder stellt, trotz meiner Arbeitslosigkeit durch Corona und dem Wegfallen jeglicher Struktur von außen, trotz des Alleinelebens und durch das Ernstnehmen der Kontaktbeschränkungen zwangsläufig sehr viel Alleinseins bin ich seit Beginn der Pandemie bisher stabil geblieben.

Was von außen easy aussehen mag, ist jeden Tag harte Arbeit. Jeden Tag aufs Neue herausfordernd. Jedes Mal anstrengend. Aber es gehört zu mir und ich kann das. Finde jeden Tag aufs Neue heraus, was ich gerade brauche, was ich mir und meiner Psyche mit den momentan verfügbaren Mitteln und übrig gebliebenen Ressourcen Gutes tun kann, damit ich sie irgendwie mitschleifen kann durch diese Zeit.

Ich bin jeden Tag stundenlang draußen mit den Hunden, bin dankbar für alles Schöne, versuche nachsichtig mit mir zu sein. Gut für mich zu sorgen. Ich weiß aus all den Jahren sehr genau, was mir gut tut und was nicht. Was ich will. Wer ich bin.


Aber was, wenn das nicht länger reicht? Der Gedanke macht mir Angst.
Es ist die Frage, wie lange all dieses Gute noch die Macht hat, mich über diese nicht enden wollende Zeit weiterzutragen.


Plötzlich fängt mein Herz an wie verrückt zu klopfen. Zittern. Tränen.


Tränen, die ich heute mit euch teilen möchte. Weil wir sie viel zu oft verstecken.

Sicher ist in diesen Zeiten nicht viel.

Aber es geht weiter. Immer.

Da bin ich mir sicher.

1 Comment »

  1. Ich kann dich sehr gut verstehen. Seit 2005 bin ich als bipolar 2 diagnostiziert und musste lernen, mein Leben auf der Achterbahn in den Griff zu bekommen. 2017 dann eine schlimme Depression, die sich volle 3Jahre hielt und zur vollen Erwerbsunfähigkeits Verrentung geführt hat. Seit der Zeit versuche ich mit mehr oder weniger Erfolg, was ähnliches wie ein Tagesablauf in mein Leben zu bringen . Ohne meine beiden Kater, die Futter und saubere Klos brauchen, wäre das sehr schwer. Dafür spüren die beiden, wenn ich einfach nur Nähe brauche und legen sich zu mir und hüllen mich in ihr Schnurren ein. Ich drück dich schwesterlich, haben wir doch beide mit den gleichen Dämonen zu tun.

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