Mitten im tiefsten Winter…

… wurde mir endlich bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt.“
– Albert Camus
Meine Energie schwindet von Tag zu Tag, die Akkus sind leer. Ich zwinge mich aufzustehen und öffne das Fenster. Grau-nasse Kälte schleudert mir ein mehr als unhöfliches Moin entgegen. Erstmal Kaffee. Ich zünde ein paar Kerzen an. Draußen wird es schon wieder dunkel. Gute-Laune-Musik an. Ich lege mich zurück ins Bett, schlürfe müde meinen Kaffee und glotze ins Graue. „Look for the good“ von Jason Mraz gibt mir den Rest. Und da fließen sie endlich, die Tränen. Und zwar nicht, weil ich das Gute nicht mehr sehen kann oder will, sondern weil ständig das Gute zu sehen irgendwann seinen Tribut fordert.
So gut es mich durch all die Monate seit Beginn der Pandemie gebracht hat, so sehr hat es mich auch erschöpft. Und das ist okay. Nein, es ist nicht nur okay, es ist wichtig und definitiv überfällig.
Ich lasse sie zu. All die Gefühle, die gerade in mir hochkommen. Traurigkeit. Wut. Resignation. Realisiere, wie viel Kraft es mich gekostet hat, den Herausforderungen der Krise zu trotzen und mit den Einschränkungen umzugehen.
Gestehe mir diese Verletzlichkeit zu. Die Menschlichkeit dahinter. Bin dankbar für sie.
Doch inmitten dieser Traurigkeit spüre ich vor allem ein Gefühl der Stärke in mir. Gewissheit, dass ich mit all dem umgehen kann und werde. Zuversicht, dass nach jedem Tief ein Hoch kommt. Hundertprozentiges Vertrauen in mich, meinen Körper und meine mir über die Jahre hart erkämpften Selbstheilungsfähigkeiten und Ressourcen. Die Erfahrung all der bisher überstandenen Krisen. Die Einsicht, dass tiefe Traurigkeit und Hoffnung gleichzeitig da sein können. Die Erkenntnis, dass ich mich bei und mit all dem trotzdem sicher und geborgen fühle.
Und dass ich diese innere Stärke ohne meine Erkrankung und all die tiefen Täler der letzten Jahre niemals entwickelt hätte.
Während ich diese letzten Zeilen tippe, beschließt Spotify’s zufällige Wiedergabe, dass es jetzt erst Recht nochmal Zeit für „Look for the Good“ ist.
Zu meinen verquollenen Augen gesellt sich ein kleines Grinsen.
Wow, das hast du so schön und fesselnd geschrieben! Du bist eine so starke Person!
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Vielen Dank für diese schönen Worte, liebe Frauke. Bleib gesund!
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